Private Safaris Kundin Josy Bucher nahm an einem «Bush Skills»Training in Botswana teil und erlebte acht intensive, unvergessliche Tage. Höhepunkt war die Nacht im Busch, unter dem wolkenfreien Sternehimmel.
Ich stinke, unter meinen eingerissenen Fingernägeln klebt Dreck und meine Haare habe ich vor fünf Tagen das letzte Mal gewaschen. Nie im Leben hätte ich gedacht, dass sich Glückshormone auch in einem – zugegeben – verwahrlosten Zustand einstellen können. Ich sitze ein letztes Mal auf dem «Land Cruiser» der Okavango Guiding School. Die Fahrt geht vom Wildnis-Camp nach Maun zum Flughafen. Demütig beobachte ich von weitem die Elefanten und denke an all die schönen Erlebnisse zurück, mit den gutmütigen, humorvollen Tieren. In der Nase rieche ich den intensiven Duft von wildem Basilikum. Immer wieder kullern Freudentränen. Ein unbeschreibliches Gefühl macht sich seit Tagen breit, weil ich dankbar bin für all das Erlebte.
Doch der Reihe nach. Es war November als der Newsletter von Private Safaris in meiner Mailbox landet. Mit den Sternenhimmel Reisen und dem Wortlaut «im Busch übernachten, unter dem eindrücklichen Sternenzelt des südlichen Afrikas». Das war schon immer mein Traum, wie auch der «Ranger Experience»-Kurs, den ich vor Monaten auf der Webseite der Travel Experten entdeckt hatte. Der Gedanke, den Alltag komplett auszuschalten und von der Natur und den Tieren zu lernen, liess mich nicht mehr los. Nur, bis anhin traute ich es mir nicht zu. Ich hatte richtig Schiss davor.
Ein Schubser für «die Reise des Lebens»
«Hier ist dein Ausbildungsvertrag, bitte lies ihn durch und unterschreibe ihn». Ich frage Florian, der mir das geheftete Papier hinhält, was darin geschrieben steht.
Mit einem Lächeln erklärt er cool: «So ungefähr, dass du uns deine Seele verkaufst.» Ich unterschreibe sofort, ohne einen Satz zu lesen. Philipp und Florian sind unsere Ausbildner für die nächsten acht Tage. Ich bin mittlerweile in Maun, stehe nachmittags mit neun fremden Menschen vor zwei Land Cruisern und starte in mein grösstes Abenteuer überhaupt. Seit dem Newsletter sind sieben Monate vergangen. Die Lust auf Natur-Erlebnisse und auf «Afrika pur» waren so stark, dass ich meine Angst überwunden habe. Den letzten «Schubser» bis zur Buchung gab mir allerdings Larissa Kato, Reisedesignerin bei Private Safaris. Sie kennt das Leben im Busch, motivierte mich und organisierte die insgesamt 17-tägige Afrika-Reise nach meinen Wünschen.
Zwei spannende Stunden dauerte die Fahrt von Maun in die Abgeschiedenheit. Über Sandpisten, durch unwegsames Gelände und Büsche. Nach einer Stunde muss ein Reifen gewechselt werden. Es gibt hier Dornen, die sich durch dicksten Gummi bohren können. Es scheint, als schütze sich die Natur vor zu vielen Eindringlingen.
Verlass auf die Fremden
Unwirklich und wie im Film fühlt es sich für mich an, als wir im Camp ankommen. Ein beachtliches Gelände mit offenem Safari-Hauptzelt, einen Küchen- und Angestelltenbereich sowie die Gästezelte. Alles inmitten einer schutzgebenden Baumgruppe. Hier fühle ich mich von der ersten Minute an wohl und aufgehoben. Alle in der Gruppe sind von Beginn weg sympathisch, zeichnen sich durch Humor und Hilfsbereitschaft aus. Eine Gemeinschaft die Verantwortung übernimmt und bereit ist, die Natur zu respektieren.
Die Nächte in Botswana sind schnell da. Kaum ist das Zelt bezogen und der Rundgang gemacht, ist es finster. Nach dem Nachtessen wird die Romantik – grosser Tisch am Fluss, beleuchtet durch viele, kleine Laternen – durch lebensnotwendige Überlebensregeln abgelöst. Camp-Leiter Philipp verteilt Aufgaben für den nächsten Tag und gibt klare Regeln durch. Dazu gehört auch, wie man sich verhält, wenn man auf dem Weg zum Zelt einer Grosskatze begegnet oder einem Elefanten.
Nur noch leere «Balken»
Die Stirnlampe zeigt mir den Weg zum Zelt Nr. 1, dass ich allein nutzen darf. Es steht am Rand der Baumgruppe, mit Blick übers offene Buschland und den Fluss. Wir sind in Zweierteams eingeteilt und meine Aufgabe für den ersten Ranger-Tag ist, die anderen zu wecken und ihnen einen Kessel heisses Wasser für die Morgentoilette zu bringen. Ich stelle den Wecker meines Mobiltelefons auf 05.15 Uhr und versuche ein SMS zu schicken. Unmöglich, kein «Balken» und somit auch absolut kein Empfang. Egal ob ich stehe, liege oder sitze. Eine Woche lang wird niemand wissen, ob ich noch lebe oder nicht.
Das Einschlafen funktioniert schlecht. Ich bin ziemlich aufgedreht und kann es kaum erwarten, bis der Morgen anbricht und wir endlich auf die Pirsch fahren. Dazu kommt die fremde Geräuschkulisse. Löwen, Elefanten und andere Tiere machen sich in der Ferne bemerkbar. Weil alles eben ist, tönt es sehr nah.
Es ist immer noch finster und sehr kalt, als um 05.15 Uhr der Wecker losgeht. Im Juli ist es in Botswana Winter, die Temperaturen liegen nachts bei etwa 6–8 Grad und klettern tagsüber für kurze Zeit auch mal auf angenehme 25 Grad. Das Wort Verantwortung nimmt hier im Busch ganz andere Dimensionen an als im Geschäftsleben. Nichts ist planbar, überall gibt es Gefahren. Diese gehen nicht ans Leben, wenn man sie richtig einschätzt und handelt. Unsere Ausbildner Philipp und Florian sind streng und äusserst gewissenhaft, was gut ist. So müssen die zwei «Land Cruiser» vom diensthabenden Zweierteam vor jeder Abfahrt kontrolliert werden. Dieselstand, Oel, Bremsflüssigkeit und so weiter, denn die Sicherheit steht an erster Stelle. Die Fahrzeuge der Okavango Guiding School werden auch alle 5000 Kilometer in der eigenen Werkstatt in Maun komplett durchgecheckt. Es wäre unverzeihlich, wenn ein Auto in einer Notsituation streiken würde.
Sprung ins eiskalte Wasser
Philipp bestimmt wer fährt. Mein erster Schock: Ich soll das Steuer übernehmen und damit viel Verantwortung. Ausgerechnet mit diesem überlangen, handgeschalteten und erst noch rechtsgesteuerten Fahrzeug. Vorsichtig fahre ich über Sandpisten und durch den Busch. Ich achte darauf, dass die Äste, die über die Wege ragen meine Passagiere nicht verletzen können. Wichtig auch: keine abrupten Stopps! Denn so könnte ich den Tracker, der ganz vorne auf dem Fahrzeug nach Spuren und Tieren Ausschau hält, vom Sitz fegen und in Gefahr bringen. Ich merke, wie mich das Fahren begeistert. Der gleichmässig tuckernde Motor und das einfach zu handhabende Getriebe verzeihen viel. Schon nach wenigen Minuten fühlt man sich wohl und es macht Stolz, den Tracker und die Gruppe sicher durchs unwegsame Gelände zu chauffieren. Immer wieder halten wir an und beobachten Elefanten, Giraffen oder Antilopen. Tier- und Vogelspuren lassen uns aussteigen und staunen.
Es ist für uns Laien unfassbar, wie viele Informationen aus den Vertiefungen im Sand gelesen werden können: Art, Alter, Geschlecht, Grösse und bei Grosskatzen beispielsweise sogar die Motivation, warum sie diesen Weg gewählt haben. Gegen Ende des Kurses können wir schon recht gut die Spuren interpretieren.
Über uns, auf den mächtigen Bäumen oder am blauen Himmel beobachten wir mit dem Feldstecher die Welt der Vögel. Das Okavango Delta bietet, dank einzigartiger Biodiversität, allen ein Zuhause mit genügend Futter. Auf jeder Tour werden die Arten auf Grund der Grösse, Körper, Schnabel und Farben und mit Hilfe eines Fachbuches bestimmt, was manchmal äusserst knifflig ist.
Wie kann man Trinkwasser gewinnen? Oder woran orientiert man sich ohne GPS und Kompass? Zum Tagesablauf gehört, nach dem leckeren Mittagessen und einer Ruhepause, ein spannender Theorieteil. Es werden lebenswichtige Regeln erklärt und Fragen beantwortet. So bereiten wir uns auf einen besonderen Höhepunkt in dieser Woche vor: Die Nacht in der Wildnis, ohne Zelt, nur mit Schlafsack.
Wasser, das kostbare Gut
Es ist Dienstag, der fünfte Tag in der Okavango Guiding School. Die kommende Nacht werden wir im Busch verbringen. Schon vieles «haut» uns nicht mehr um. Eine Schlange vor dem Zelteingang oder die weissen Spinnen, die mit Vorliebe über den Esstisch krabbeln. Ihr Gift tötet nicht, hinterlässt aber hässliche Wunden, die erst nach Monaten heilen. Auffälliger sind die Elefanten – die Meister der Tagträumerei. Ab und zu verirrt sich einer im Camp, schreckt aus seinen Gedanken auf und trottet so schnell wie möglich wieder davon. Nachts schleichen die Raubkatzen durchs Camp, dabei hinterlassen sie Pfotenspuren.
Das luxusfreie Leben im Zelt, mit Busch-WC und einem halben Eimer
voller Wasser als Dusche, lässt mich erstaunlicherweise nichts vermissen. Auf den täglich zwei oder drei Pirschfahrten – manchmal gönnen wir uns eine Nachfahrt – wird uns immer wieder gezeigt, dass wir sorgsam mit unserem Planeten und der Natur umgehen müssen. Es gibt so viel zu verlieren! Besonders schön sind auch die Abende. Die gemütlichen Nachtessen, auf dem erhöhten Sitzplatz am Fluss, mit angeregten Diskussionen und dem Abschluss am wärmenden Lagerfeuer.
Knurren, das durch Mark und Bein geht
Nun ist sie da, die Nacht auf die wir uns seriös vorbereitet haben. Wir sitzen zu viert am Lagerfeuer und schieben Wache bis ein Uhr.
Immer wieder stehen wir auf und leuchten mit den Taschenlampen in die Dunkelheit. Es ist ruhig. Doch plötzlich schiesst uns das Adrenalin durch die Adern! 15 Meter vor uns streift mit angstmachender Nervosität eine einzelne Hyäne durchs hohe Gras. Immer wieder taucht sie ab und überrascht uns an einem anderen Ort. Die Dunkelheit macht es noch schwieriger, sie
mit den Taschenlampen in Schach zu halten. Nur ihr unheimliches Knurren verrät den ungefähren Aufenthaltspunkt. Wir wecken Philipp und Florian, die für den absoluten Notfall bewaffnet sind. Nach einiger Zeit gibt es Entwar-nung. Die Hyäne hat das Weite gesucht, ohne ihre ganze Familie aufzubieten und uns anzugreifen. Dann bleibt es ruhig. Ich lege mich nach der Schicht müde, aber überglücklich in den kalten Schlafsack.
Diese Nacht übertrifft einfach alle Erwartungen und sogar die Vorfreude! Klare Luft, die nach feuchtem Gras duftet. Im Hintergrund monotone Knackgeräusche, weil eine Elefantenherde eine ganze Baumgruppe abholzt und verspeist. Löwengebrüll, das über die Steppe hallt. Und über mir das Sternenzelt Botswanas mit Milchstrasse – auf genau diesen Momenthabe ich mich all die Monate so gefreut! Auf meinem Reiseprogramm von Private Safaris steht am Schluss der Satz: «Travelling – it leaves you speechless, then turns you into a storyteller» (Ibn Battuta/Arabischer Reisepionier). Treffender kann meine Reise, die mich nach dem Bush Camp der Okavango Guiding School in drei weitere, wunderbare Lodges in Botswana und Zimbabwe führte, nicht beschreiben!
Über die Autorin:
Josy Bucher, Alter: 50 Jahre, Beruf: Office Managerin, Afrika-Erfahrung: Vier Mal in Südafrika und einmal in Uganda mit Private Safaris.